Fragenkatalogentwurf als Pdf: https://ribisl.org/wp-content/uploads/2020/07/Fragenkatalog_Maria_Beer_Platz_16_07_2020.pdf
!!! Ausführliche Antworten der Verwaltung auf den Fragenkatalog: Ganz runter scrallen !!!
Videos: 08.07.2020:
“Das längste Grabmal Regensburgs.”
Maria-Beer-Platz Teil1/2 from Jakob Friedl on Vimeo.
“Bundeswehrstiefelwaschanlage – kein Trinkwasser”
Maria-Beer-Platz 2/2: Kneipen durch die Stiefelwaschanlage from Jakob Friedl on Vimeo.
Ort:
Beschreibung auf der städtischen Homepage:
Renaissance Anklänge ?!
Aus dem Archiv des Planungsamts selbst ausgeggraben: Am 13.03.2010 konnte im Planungsausschuss kein Beschluss zur Vorlage (VO/10/5188/65) mit dem Gestaltungsentwurf zum Maria Beer Platzes gefasst werden, weil einige Stadträte die vorgeschlagene Platzgestaltung aus Gründen für ausgesprochen unzulänglich hielten. Der Tagesordnungspunkte wurde gegen die Stimmen von OB Schaidinger und Stadträtin Schlee (17/2) vertagt und am 18.05.2010 mit einer fast deckungsgleichen Vorlage (VO/10/5261/61) wieder auf die Tagesordnung des Planungsausschusses gesetzt und nun gegen die Stimmen von LINKE, Freie Wähler und ÖDP verabschiedet. Was muß das muß…
Günther Riepl sprach laut Protokoll von einer “Stiefelwaschanlage” und gab zu Bedenken:” Wenn man einen Platz gestaltet und einen Brunnen an dem Platz gemacht habe, habe man sich geeinigt, dass man einenkünstlerischen Wettbewerb veranstalte und das beste Ergebnisss ausgesucht werde. Er verstehe nicht, warum das da nicht so gemacht worden sei.”
Antworten für MZ-Interview 12.07.2020:
1. Wie bist du auf die Idee gekommen, nackt in diesem Brunnen zu schwimmen?
Ich wollte meiner Freundin den grandios misslungenen Maria-Beer-Platz zeigen, an dem seit langem das einzige Ladengeschäft im Holzgartenviertel ungenutzt leersteht. Dabei habe ich zum ersten Mal bewusst den 15m breiten Brunnen wahrgenommen und war fassungslos, wie so etwas Hässliches, Scharfkantiges und Kinderfeindliches als geeignete Kunst für einen Quartiersplatz ausgesucht werden konnte. Der triste Betonbrunnen mit tropfenden Edelstahlrohren erinnert eher an eine Stiefelwaschanlage bei der Bundeswehr oder eine industrielle Viehtränke. Die Radiverkäuferin Maria Beer würde sich wohl im Grabe umdrehen. Da es kein Trinkwasser gibt und sich der Brunnen auch nicht zum Plantschen eignet, wollte ich erproben, ob es wenigstens möglich ist ein Bahn zu schwimmen.
2. Was willst du mit dieser Aktion erreichen?
Ich will viele Themen ansprechen, die mit der Planung, der Gestaltung, den Besitzverhältnissen und den Nutzungsmöglichkeiten des Stadtraums zu tun haben. Ich will Menschen dafür sensibilisieren sich mit ihrer Umgebung aktiv auseinanderzusetzen, sie zu hinterfragen, Misstände anzusprechen und dabei konstruktive Strategien zu entwickeln um nicht zu resignieren – oder im besten Fall etwas zu verändern. Kunst im öffentlichen Raum wird in unser Stadt leider selten partizipativ, prozessorientiert und experimentell angegangen. Bürgerbeteiligung fehlt hier offenbar genauso wie tatsächliche Expertise. Kunstwerke können nur so gut sein, wie es die Strukturen ermöglichen, in denen sie zustande kommen. Im Stadtbild Regensburgs finden sich einige Beispiele für die Oberflächlichkeit teurer und vermeintlich repräsentativer Stadtgestaltung. Der sogenannte Römerrastplatz am Ernst-Reuter-Platz: Ein zubetonierter Möglichkeitsraum mit starrer Kunst ohne besonderen Informationsgehalt. Der Brunnen am Dachauplatz: Ein zuverlässig defektes Weltkulturerbewerbeschild in versifftem Wasser. Dabei war die wichtigste Vorgabe für den Neubau des Brunnens eine mögliche Bespielbarkeit durch Kinder. Erinnerungskultur wurde hier dreist limitiert und auf einen Quadratmeter reduziert. Und das sind noch lange nicht alle… Das heißt für mich: Weitere Videos werden folgen.
3. Macht es dir nichts aus, dass du im Internet splitterfasernackt zu sehen bist?
Besondere Umstände erfordern besondere Mittel. Als Künstler setze ich alle Medien ein – auch meinen Körper, der hier vor einer Betonkulisse besonders gut zur Geltung kommt.
4. Wenn es blöd läuft, könnte man dir eine Ordnungswidrigkeit aufbrummen.
Beim Dreh waren keine fremden Leute zugegen. Ich habe nichts beschädigt, keinen Müll hinterlassen und keinen Lärm verursacht.
… und Hecken als Abstandshalter zum Privatbereich der Anwohner: Stadtrat Hartl sagte laut Protokoll am 16.03.2010 als die erste Beschlussvorlage zur Platzgestaltung zurückgewiesen wurde: “Die Anlieger sagen, die Schlafzimmer gehen auf die Straße hinaus. Wenn man nun so tolle Platten bis ans Schlafzimmerfenster ran mache mit so einem Absatz, werde das für solche, die mit einem Skateboard herumfahren, die ideale Strecke werden. Da müsse er schon sagen, wenn so etwas geplant werde, dann müsse das ganze auch für alle passend sein.” Aufgrund großen Unmuts ging die Vorlage(VO/10/5188/65) mit dem Gestaltungsentwurf zurück (17/2 gegen OB Schaidinger) und die katastrophale Planung wurde dann etwas überarbeitet und am 18.05.2010 als (VO/10/5261/61) erneut vorgelegt und beschlossen – mit Buchsbaumhecken, die sicherlich eine Verbesserung darstellen 🙂 #Dr. Benjamin Buxbaum
Interviewantworten für die Mittelbayerische Zeitung am 28.07.2020:
Die Stadt prüft derzeit, ob Ihre Nacktschwimm-Aktion am Maria-Beer-Platz eine Ordnungswidrigkeit gemäß §118 OWiG (Belästigung der Allgemeinheit) darstellt. Wissen Sie von dieser Prüfung? Und was halten Sie davon?
Anscheinend hat mich jemand angezeigt, die Stadt muss dem nun nachgehen. Ich halte das für Zeitverschwendung, denn laut Gesetz handelt ordnungswidrig, “wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen” (§ 118 OwiG). Nichts davon trifft hier zu; denn ich habe nichts beschädigt, keinen Lärm verursacht, keinen Müll hinterlassen und niemanden belästigt. Meine Nacktheit ist völlig harmlos. Wer sich die Videos anschaut, tut das aus freien Stücken. Ich rechne nicht mit Nachahmern.
Die Gestaltung des Maria-Beer-Platzes mit zugehörigem leerstehenden Ladengeschäft, Baumquadraten, rauen Sitzwürfeln und Gussbetonmauer mit Brunnengrab, dem dazugehörigen Quartier an der Paarstraße und viele weitere Ort in dieser Stadt belästigen nicht nur mein persönliches Empfinden für Ästhetik und Gerechtigkeit. Flächendeckend wurde Bauland verschachert, dreistem Profitstreben untergeordnet, ganze Stadtteile wurden damit städtebaulich für immer verschandelt. Die Bauträger und die Eigentümergesellschaften kassieren die steigenden Mieten, aber die Bewohner können den belanglosen Stadtraum vor ihren eigenen Haustüren nicht gestalten. Diese „Normalität“ verursacht auf vielen Ebenen einen sehr großen Schaden am Gemeinwohl unserer Gesellschaft.
Was wollten Sie mit Ihrer Aktion erreichen?
Die positiven Rückmeldungen in persönlichen Begegnungen zeigen mir, dass viele Leute den Hintergrund meiner Aktion sehr gut verstehen und weiter denken. In meiner Performance setze ich mich mit der Situation am Maria-Beer-Platz auseinander. Die bewegte Gestalt macht nicht nur das Ausmaß dieser banalen Vorrichtung deutlich, sondern sie markiert auch den fundamentalen Gegensatz zwischen dem Menschlichen, Menschengemäßen und der kantigharten Rechtwinkligkeit dieser Betonanlage, die sich überdies über jedes Maß in die Länge zieht – nicht nur abstoßend in ihrer Erscheinung, sondern auch unhistorisch, denn so sahen die Schwengelpumpen der Weichser Radifrauen ganz gewiss nicht aus.
Mit dem umfassenden Fragenkatalog, den ich an die Stadtverwaltung gerichtet habe, möchte ich mehr zu dem Ort und den Umständen seiner Entstehung in Erfahrung bringen und diese Erkenntnisse der Allgemeinheit zugänglich machen. Das entspricht meinem allgemeinen Anliegen, das Interesse der Regensburger*innen an der neueren Geschichte Regensburgs und an der Mitgestaltung der Stadtentwicklung anzuregen und zu fördern.
Planen Sie weitere Aktionen dieser Art?
Ich mache seit 20 Jahren mit unterschiedlichsten Mitteln Kunstaktionen an selbstgewählten Orten in Regensburg und habe mich dabei selten wiederholt. Berechenbare Kontinuität strebe ich an, wenn es in Projekten darum geht, offene Kulturorte für Nachbarn und Stadtteilbewohner zu etablieren. Wiederkehrende Rituale haben auch ihren Sinn, z.B. beim Freibaum Aufstellen.
Beschlüsse:
20.05.2010 https://srv19.regensburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=5217
Dazu ein Sammeldokument mit vielen bunten Plänen:
http://europabrunnendeckel.de/download/mariabeerplatz2015VMassnahmenbeschluss.pdf
Straßennamenvergabe im Bereich Bebauungsplan 111 “Holzgartenstraße”
https://srv19.regensburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=8735